22. Juni 2020

Review: Tote Mädchen lügen nicht

Tote Mädchen lügen nicht
ist eine Serie, die für viel Aufsehen gesorgt hat. Vielen war es zu heftig und sie haben die Serie abgebrochen, viele haben aber auch mitgefiebert.
Staffel eins war grandios. Schockierend, emotional, wichtig. Staffel zwei war eigentlich schon unnötig, aber nicht schlecht. Auch wenn es nicht an die erste Staffel ran kam, war es doch fesselnd und man konnte nicht wegschalten. Staffel drei war schon einiges schlechter, wobei die zweite Hälfte doch besser wurde. Jetzt lief erst Staffel vier und es war... naja, es ist gut, wenn etwas einen Abschluss findet.

Es gab zahlreiche Logikfehler und manchmal habe ich mich gefragt, ob es überhaupt einen Plot gibt. Die Storyline war gestückelt und es fehlte der rote Faden. Es wirkte als hätte man halt unbedingt noch eine Staffel machen wollen und alle Ideen in einen Topf geworfen.
Was man wohl loben kann, ganz unabhängig von der Handlung, sind die Schauspieler. Die Leistung, die sie gebracht haben, ist on point und verdient definitiv einen Preis.

Jeder, der es zu Ende gucken möchte, sollte sich auf mehr oder minder große Enttäuschungen einstellen. Und die, die sich noch unsicher sind; es muss nicht unbedingt sein.

Ich werde jetzt detailliert darauf eingehen. Das bedeutet, dass im Folgenden SPOILER auftreten werden. Also, wenn ihr es noch sehen wolltet, solltet ihr hier besser abbrechen.


Fangen wir mit Jess an. Jess hat sich in den letzten Staffeln immer mehr für Frauenrechte eingesetzt. Ihre Handlungen waren teils extrem und sie hat definitiv ein Statement gesetzt. Jetzt aber verhält sie sich ziemlich paradox. Sie predigt, dass man keinen Mann für einen Ball brauche, dass Frauen unabhängig seien und dass man auch ohne Begleitung zum Ball gehen könne. Dann aber fängt sie an mit Diego rumzumachen, nur um Justin eifersüchtig zu machen. So viel zum Thema keinen Mann brauchen. Sie verstößt gegen ihre eigenen Prinzipien.
Davon abgesehen ist es ganz schön daneben mit beiden Jungs gleichzeitig was zu haben. Das gehört sich nicht, Jess!

Irritiert haben mich auch Tonis Karriereaussichten bei der Polizei. Sogar noch ein paar Folgen zuvor hat die Polizei versucht ihn wegen irgendwas dran zu bekommen. Die hatten ihn immer auf dem Kieker und jetzt plötzlich, ohne erkennbaren Grund, ist alles gut und sie sind ein Fan von Toni. Klar. Warum auch nicht?

Ich bin kein Experte für psychische Erkrankungen, aber die Symptome von Clay, passten nicht so ganz zu den Erkrankungen. Er hatte Halluzinationen, Blackouts und erinnert sich nicht an seine Taten, das Ganze wird dann als Panikattacke betitelt. Mir war auch etwas unklar, weshalb seine Symptome so ausgeprägt sind. Er hat ja kein direktes Trauma erlebt. Ohne Frage, was er durchgemacht hat, war traumatisierend und jeder empfindet und durchlebt eine Situation anders. Geht anders damit um. Das möchte ich gar nicht in Frage stellen. Aber er war weder Schuld an Bryce', noch an Montys' Tod. Er war in beiden Fällen unbeteiligt. Zwar hat er geholfen es zu vertuschen, aber nur um seine Freunde zu schützen. Warum hat er also so extreme Schuldgefühle, dass er die beiden ständig sieht?
Und warum merkt niemand wie es ihm geht. Er war immer für seine Freunde da. Für Toni, für Tyler, selbst für Justin, als die beiden noch nichts miteinander zu tun hatten. Und jetzt steht er alleine da. Alle lassen sich mit einem "Alles gut" abfertigen.
Am Schlimmsten war es, dass Ani ihm den Rücken gekehrt hat, als es offensichtlich war, dass er Probleme hat.
Die letzte Staffel hat sie sich ständig ungefragt überall eingemischt und jetzt lässt sie ihn im Stich. Immerhin müssen wir als Zuschauer sie so weniger ertragen.

Auch Zach's Alkoholprobleme scheinen alle die meiste Zeit hinzunehmen. Die Freundschaft, der letzten Staffeln, lässt hier ziemlich nach.

Die wohl spannendste Folge war der Amoklauf an der Schule. Allerdings war ich wirklich schockiert. Man möchte die Schüler schützen. Gut. Man installiert Detektoren. Okay. Aber einen Amoklauf vortäuschen mit Schüssen? Das ist keine Übung. Die Schüler hatten Todesangst, Panik, sie haben Traumata dadurch erlitten. Und wie gehen die Behörden damit um, wenn man sie konfrontiert? Mit Gewalt. So beruhigt man sicherlich Jugendliche. So schützt man sie super.
Polizeigewalt in Amerika ist ja kein unbeschriebenes Blatt und das zu thematisieren, ist sicherlich nicht unwichtig. Aber dann sollte man es auch zu Ende bringen. Denn das Thema wurde einfach fallen gelassen. Es gab keine Konsequenzen. Keine Lösung. Stattdessen wurde nicht mehr darüber gesprochen und es wurde ein Ball gefeiert. Die Storyline ist einfach nicht zu Ende gedacht.

Und das war leider ständig der Fall.
Es geht um die psychischen Folgen, dass Clay 'geärgert' wird, Winston tritt auf den Plan und droht alles auffliegen zu lassen, der Amoklauf, Polizeigewalt, der Kontakt von Tyler mit Waffen kommt wieder auf, Jess' Liebesdreieck, der Promball, die College Interviews und dann Justins Schicksal. Ziemlich viele Themen, die alle nebeneinander herlaufen und nichts wird richtig ausgeführt. Das hätte man sicherlich durchaus besser ausarbeiten können. Entweder man lässt ein Thema weg oder man muss halt doch wieder auf 13 Folgen aufstocken und die Themen dafür strukturierter und sinniger angehen.

Am Schlimmsten fand ich Justins Tod. Er war in meinen Augen der beste Charakter in der Serie. Von Folge eins bis zum Ende, hat er die weitreichendste Entwicklung mitgemacht. Selbst am Anfang war er nicht böse. Er konnte/ wusste es einfach nicht besser. Und er hat seine Taten zutiefst betreut. Aber er hat an sich gearbeitet. Wollte sich bessern und hat auch die Chancen dazu bekommen. Es war so schön ihn glücklich mit seiner neuer Familie zu sehen. Er hatte es verdient. Und dann stirbt er einfach an AIDS? In so einem kurzen Zeitraum? Ein sonst gesunder Jugendlicher? Wieso? Welchen Sinn hat das für die Handlung? Was soll das aussagen? Es war einfach unnötig und traurig. Ich glaube, man wollte den Zuschauer einfach nochmal catchen und ein emotionales Ende schaffen.

Doch das Ende hat mich eher etwas verwirrt. Denn als die Beerdigung und die Abschlussfeier vorbei sind, kommt der richtige Abschluss der Serie. Der Abschluss von Staffel eins. Die Kassetten werden begraben und damit ein Teil der Vergangenheit. Ob man das jetzt gut heißt oder nicht, darüber kann man sich streiten. Aber warum tauchen plötzlich wieder Charaktere auf, die zwar in Staffel 1 und für Hannah wichtig waren, aber die letzten Staffeln nicht mehr mitgespielt haben? Dann hätte man sie wenigstens ab und an mal einbauen oder erwähnen können. So saß ich vor dem Fernseher und dachte Wer bitte ist das?
Immerhin scheint es so, als könnten die Charaktere endlich nach vorne Blicken.

Die Staffel wurde insgesamt im Verlauf spannender. Es war emotional, wichtig und ging unter die Haut. Auch wurden alle offenen Fragen beantwortet. Dennoch wurden die Handlungsstränge nicht zu Ende geführt, es gab Logikfehler und insgesamt hat man sich halt gefragt, ob sich jemand beim Drehbuch was gedacht hat.
Vielleicht hätte man die Serie mit dem Ende des Buches abschließen sollen.
So oder so wurde man definitiv zum Nachdenken angehalten und es wird sicherlich im Gedächtnis bleiben.

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